Störerhaftung: Änderungen am Telemediengesetz in Kraft getreten

Seit dem heutigen Tag ist die Störerhaftung für WLAN-Betreiber passé: Das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes vom 28.09.2017 ist am 13. Oktober 2017 in Kraft getreten (BGBl. I S. 3530).

Über die Änderungen hatte ich hier und hier berichtet.

Eine Synopse finden Sie bei Buzer.

 

2. Versuch für das Ende der Störerhaftung

Nach dem Bundestag am 30. Juni 2017 hat das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) am 22. September 2017 auch den Bundesrat passiert. Es handelte sich dabei nicht um ein Zustimmungs- sondern ein Einspruchsgesetz (nähere Informationen zu dieser Unterscheidung finden Sie hier).

Dieses Gesetz sollte nun die Störerhaftung der Anschlussinhaber endgültig abschaffen und damit Rechtssicherheit schaffen.

Langer Weg der Abschaffung der Störerhaftung

Unter Störerhaftung versteht man im Internetrecht die Haftung des Anschlussinhabers für über den Anschluss begangene Rechtsverletzungen, etwa Urheberrechtsverletzungen. Fäschlicherweise wird in der Presse immer von der Abschaffung der Störerhaftung geredet. Gemeint ist allerdings lediglich eine Abschaffung für die Anschlussinhaber, von der generellen Abschaffung der Störerhaftung kann keine Rede sein. Es handelt sich hier um ein altes Rechtsinstitut des BGB, die auch in anderen Bereichen Anwendung findet.

Kritisiert wurde die Störerhaftung des Anschlussinhabers, da sie die Verbreitung offener WLANs behindere. Aufgrund der bestehenden Haftungsrisiken gibt es in Deutschland im Vergleich zu den Ländern, die eine Haftung des Anschlussinhabers nicht kennen, wenig frei verfügbare WLANs. In der Vergangenheit war es daher sehr aufwändig, Dritten Zugang zum Internet anzubieten. Man musste dafür sorgen, dass etwaig begangene Rechtsverletzungen eindeutig einem bestimmten Nutzer z.B. mittels einer vorherigen Registrierung, zuzuordnen waren. „2. Versuch für das Ende der Störerhaftung“ weiterlesen

BGH: WLAN-Standardschlüssel kann ausreichend sein

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass der Standard-WLAN-Schlüssel des Routers ausreichend sein kann. Eine Verletzung zumutbarer Prüfpflichten, Voraussetzung der Inanspruchnahme als Störer, sei nach Ansicht des BGH nicht geben. Man muss also den Werksschlüssel nicht zwangsweise ändern bei Inbetriebnahme eines WLANs.

Dies gilt allerdings laut BGH nur, wenn

  • der WLAN-Schlüssel ein individueller ist (also vom Hersteller nicht für mehrere Router gleichzeitig ab Werk gesetzt wird) und
  • der WLAN-Schlüssel marktüblichen Standards entspricht, also etwa eine ausreichende Länge – im Fall: 16 Zeichen – aufweist.

Zudem muss auch eine sichere Verschlüsselungsmethode gewählt werden, also möglichst WPA2.

Das Urteil ist ein Kurswechsel: Im Jahr 2010 hatte der BGH noch entschieden, dass die Standardeinstellungen des Routers geändert werden müssten (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens).

BGH, Urteil vom 24. November 2016 – I ZR 220/15 – WLAN-Schlüssel

Warum die Störerhaftung eben doch nicht abgeschafft wurde

Derzeit schreiben die Medien, die Störerhaftung sei abgeschafft worden. Die stimmt aus zweierlei Gründen nicht: Erstens meinen die Medien damit die Störerhaftung im Internet und nicht die Störerhaftung generell. Das Rechtsinstitut der Störerhaftung gibt es auch in anderen Bereichen als dem Internetrecht und ist in diesen Bereichen durchaus auch sinnvoll und wichtig. Zweitens ist aber auch die Störerhaftung im Internet nicht abgeschafft worden. Die Aussage ist damit also generell falsch.

Richtig ist, dass der Bundestag beschlossen hat, einen neuen Absatz 3 in § 8 Telemediengesetz (TMG) aufzunehmen. Dieser lautet:

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen

Damit wird aber die Störerhaftung im Internet gerade nicht abgeschafft. Es wird damit zwar klargestellt, dass § 8 TMG auch für die Anbieter eines WLANs gilt – egal ob privat oder kommerziell betrieben – allerdings hat dies nur klarstellenden Charakter. Man konnte bereits vorher § 8 TMG auf diese anwenden, wobei allerdings strittig war, ob zum Beispiel ein privater Anschlussinhaber auch Diensteanbieter im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 1 TMG ist.

Die Störerhaftung wurde damit aber gerade nicht abgeschafft, da die Haftungsprivilegien des Telemediengesetzes gerade nicht für Unterlassungsansprüche gelten. Eine Abmahnung ist damit also weiterhin möglich; lediglich ein Schadensersatzanspruch wird damit ausgeschlossen. Wenigstens in dieser Hinsicht haben WLAN-Anbieter nun einen Vorteil im Vergleich zur früheren Rechtslage.

Ursprünglich war allerdings geplant, auch einen Absatz 4 in § 8 TMG einzuführen, der gerade auch Abmahnungen unmöglich machen sollte. Hier verweise ich auf den sehr guten Artikel meines Kollegen Thomas Stadler. Er bezeichnet das neue Gesetz letztlich als „Mogelpackung“ und hat damit leider recht.

Wünschenswert wäre in der Tat der ursprünglich geplante Absatz 4 gewesen. Hier hat der Gesetzgeber wohl zu sehr die Interessen der Abmahnindustrie und der Musikindustrie berücksichtigt und sich nicht getraut, den Absatz 4 wirklich einzufügen. Ob sich mit der jetzigen Regelung wie ursprünglich gewollt mehr freie WLANs in Deutschland durchsetzen, ist aber fraglich.

AG Hamburg wendet Haftungsprivileg für Provider analog an

Während die Politik noch versucht, die Störer-Haftung in Deutschland liberaler zu regeln und damit freies WLAN zu fördern (der bisherige Gesetzentwurf wurde als zu restriktiv kritisiert), hat das Amtsgericht Hamburg (Urteil vom 10. Juni 2014, Az. 25b C 431/13Entscheidung im Volltext) in einer sehr bemerkenswerten Entscheidung das Haftungsprivileg der Provider aus § 8 TMG auf Hotels ausgedehnt.

§ 8 TMG lautet in seinem Absatz 1:

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie

1. die Übermittlung nicht veranlasst,

2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und

3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

Diese Vorschrift betrifft normalerweise nur Access-Provider wie beispielsweise die Telekom. Der Provider haftet nicht für Rechtsverletzungen, die die Internetnutzer über ihre Leitungen begehen.

Das Amtsgericht Hamburg stellt nun Hotels, die einen Zugang zum Internet anbieten, mit Access-Providern gleich und hat die Klage der Rechteinhaber eines Films gegen den Hotel-Betreiber abgewiesen.

Die weitere Rechtsprechung und das Vorgehen des Gesetzgebers dürften spannend werden.